Cover
Titel
Das Kinderbischofsfest im Mittelalter.


Autor(en)
Skambraks, Tanja
Erschienen
Firenze 2014: SISMEL - Edizioni del Galluzzo
Anzahl Seiten
405 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Kathrin Utz Tremp, Staatsarchiv Freiburg

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine leicht überarbeitete Dissertation, die im Frühjahr 2012 an der Universität Mannheim verteidigt wurde. Ihr Gegenstand, das mittelalterliche Kinderbischofsfest, gehört zu einer Reihe von vier Klerikerfesten, den sog. tripudia, die nach Weihnachten gefeiert wurde, nämlich das Fest der Diakone am 26., dasjenige der Priester am 27., dasjenige der Chorknaben – eben das Kinderbischofsfest – am 28. Dez. und schliesslich dasjenige der Subdiakone zwischen dem 1. und 6. Januar. Der Ansatzpunkt für das Kinderbischofsfest war demnach der Tag der Unschuldigen Kindlein (der 28. Dez.), konnte aber, seit dem 13. Jh., auch der Tag des hl. Nikolaus, der 6. Dez., sein. Im 12. Jahrhundert sind die Belege für das Kinderbischofsfest noch spärlich, dann nehmen sie zu, um im Spätmittelalter, am Übergang von der Liturgie zum geistlichen Spiel, ihren Höhepunkt zu erreichen. Der Kinderbischof wurde aus den Reihen der Chorknaben und Schülern gewählt, doch scheitern – was nicht erstaunt – alle Versuche der Autorin, die soziale Herkunft der Kinderbischöfe zu ermitteln. Im Anschluss an die liturgische Feier, bei welcher der Kinderbischof mit den bischöflichen Insignien ausgestattet und inthronisiert wurde, kam es zu Prozessionen durch die Stadt, und dabei manchmal auch zu Unregelmässigkeiten. Der Kinderbischof konnte alle Funktionen eines Priesters ausüben, allerdings mit Ausnahme der Messe. Er konnte auch dem richtigen Bischof begegnen und ihn nach seiner Amtsführung fragen. Predigten des Kinderbischofs sind nur vom Ende des Mittelalters und dem Beginn der frühen Neuzeit erhalten, und, mit Ausnahme einer Predigt von Erasmus (1511), nur aus dem englischen Raum (1495, 1558), doch wundert sich die Autorin nicht darüber, denn sie fragt nicht nach dem Stellenwert der Predigt am Ende des Mittelalters.

Ein eigenes Kapitel ist dem Verhältnis zwischen Kinderbischofsfest und dem Nikolauskult gewidmet bzw. der Anknüpfung des Kinderbischofsfestes an das Nikolausfest, die sich vor allem in Deutsch-land und England feststellen lässt. Dabei gestaltete sich die Identifizierung des Kinderbischofs mit Nikolaus eigentlich leichter als mit den Innocentum, so dass der Kinderbischof nicht nur ein Träger des Nikolauskults, sondern der weitverbreitete Nikolauskult auch ein Vehikel für das Kinderbischofsfest werden konnte. Ein weiteres Kapitel dient dem Nachweis, dass dieses nicht zu den Narrenfesten gehörte, d.h. den oben erwähnten Klerikerfesten (triudia), die nach Weihnachten begangen wurden (was in einem gewissen Gegensatz zum Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit steht). Die Narrenfeste galten der ethnologische orientierten Forschung (Bachtin, Zemon Davis, Scribner, Heers) als subversiv und Vorläufer von Fastnacht, was sie nach Meinung der Verfasserin nicht waren. Diese interpretiert die zahlreichen Verbote, von denen das Kinderbischofsfest am Übergang vom Spätmittelalter zur Reformationszeit betroffen war (durch das Basler Konzil 1435, durch den französischen König Karl VII. 1445 und durch den englischen König Heinrich VIII. 1541), als Regulierungs-, aber keineswegs Abschaffungsmassnahmen, und zieht damit dem Fest letztlich alle allfälligen Zähne. Aus einer künstlichen Systematik hinaus wiederholt das Buch sich oft, gibt sich zu viele Regieanweisungen und zieht zu viele Zwischenbilanzen, was die Lektüre umständlich und mühsam macht. Das letzte Wort zum Kinderbischofsfest scheint noch nicht gesprochen zu sein. Es ist möglicherweise ein zu schwieriges Thema für eine Dissertation, weil es sich zeitlich über das ganze Mittelalter und darüber hinaus erstreckt und geographisch den französischen, englischen und deutschen Raum umfasst.

Zitierweise:
Kathrin Utz Tremp: Rezension zu: Tanja Skambraks, Das Kinderbischofsfest im Mittelalter (= Micrologus’ Library 62), Firenze, Sismel, 2014. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 109, 2015, S. 394.

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